Windkraft


Tornados in den USA werden nach der sogenannten Enhanced Fujita-Skala (EF) gemessen. Mit Fokus auf die erreichten Windgeschwindigkeiten klassifiziert eine Einstufung nach dieser Skala den Grad der Zerstörung, der durch einen Tornado erzeugt wird. Ein Tornado mit EF0 kann Äste von Bäumen abreißen und bei einigen Dächern Ziegel lösen. Einer mit EF3 kann Stockwerke von hohen Gebäuden verwüsten, Züge umwerfen und Autos vom Boden abheben lassen.

Das, was am 4. Mai 2007 über Greensburg, Kansas hereinbrach, war ein Tornado der Kategorie EF5. Über 1500 Menschen lebten damals in dem Ort. Elf davon starben an diesem Tag, es wären wohl mehr gewesen, wenn es nicht rechtzeitig einen Alarm gegeben hätte. 95% aller Gebäude in dem Ort waren dem Erdboden gleichgemacht. Greensburg, Kansas, war komplett zerstört.

Irgendwann danach musste der Stadtrat darüber entscheiden, was nun geschehen sollte. Dass der Ort wieder neu erstehen sollte, war klar. Der Stadtrat beschloss, ein besonderes Zeichen zu setzen. Greensburg sollte die grünste Stadt des ganzen Landes werden. Saubere Energie, Programme für Umwelt- und Klimaschutz gehörten zu dem Plan und alle neuen Gebäude sollten allerhöchsten Energiesparmaßstäben entsprechen. Das, so die weitergehende Überlegung der Stadtväter, würde auch die Unternehmen aus der Umweltbranche nach Greensburg locken, die zu jener Zeit überall im Lande aus dem Boden schossen. Greensburg würde ein Ort der Zukunft werden.

Das klappte auch ziemlich gut. Windenergie versorgt heute, zehn Jahre nach dem verheerenden Desaster, den gesamten Ort. Das ist ein bisschen ironisch, weil die Kraft des Windes, die Greensburg heute antreibt, mehr oder weniger die gleiche Kraft ist, die den Ort überhaupt erst in diese Lage gebracht hat. Heute wird recycelt, was das Zeug hält, sämtliche Gebäude sind energieeffizient, an den Schulen gehören Umwelt- und Klimaschutz selbstverständlich fest zum Lehrplan. Greensburg macht seinem Namen jetzt alle Ehre, die Kleinstadt ist wirklich grün geworden.

Doch Greensburg stammt aus einer anderen Zeit. Der Ort entstand, als die Eisenbahn ihre Schienen quer durchs Land gezogen hat und alle zehn Kilometer eine Lager- und Ruhestätte benötigte. Man sieht das noch heute im Herzen Amerikas. Der nächste Ort hinter Greensburg ist zehn Kilometer entfernt, in schnurgerader Linie und der nächste danach kommt wieder zehn Kilometer später. Von den 1500 Einwohnern sind bis heute nur rund 800 zurückgekehrt und für Leute, die noch nie in Greensburg gewohnt haben, gibt es wenig Gründe, jetzt dorthin zu ziehen. Alles grün zu haben macht nämlich im Moment noch viele Dinge ein bisschen teurer als andernorts und so sind weniger energieefiziente Wohnhäuser zehn Kilometer weiter einfach günstiger als die in Greensburg. Und weil auf die Naturkatastrophe 2007 ein Jahr später der Wirtschaftskollaps folgte, kamen auch keine neuen Firmen hierher, die gute Arbeitsplätze hätten mitbringen können. Unter der neuen Präsidentschaft seit 2017 stehen grüne Industrien ohnehin nicht mehr hoch im Kurs.

Greensburg ist trotzdem vorbildlich. Und es ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Amerikaner einen Rückschlag oft als Chance verstehen, es beim nächsten Mal besser zu machen.     

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ein digitaler Albtraum

On and off

Don't text and walk